Durch die Umsetzung der europäischen Antisteuervermeidungsrichtlinie (Anti-Tax-Avoidance-Directive, kurz ATAD) in nationales Recht, wird die so genannte Wegzugsbesteuerung für den Wegzug in das EU-Ausland nach dem derzeitigen Regierungsentwurf wohl erheblich verschärft, sofern das Gesetz in dieser Fassung verkündet wird.
Aktuelle Rechtslage:
Nach aktueller Rechtslage führt der Wegzug einer natürlichen Person, die im Privatvermögen Anteile an einer Kapitalgesellschaft hält und insgesamt mindestens zehn Jahre in Deutschland der unbeschränkten Steuerpflicht unterlag, auch ohne Veräußerung zur Besteuerung der stillen Reserven an der Kapitalgesellschaft, sofern bestimmte Voraussetzungen des Beteiligungsverhältnisses erfüllt sind.
Für EU/EWR-Staatsangehörige gilt bislang die Besonderheit, dass die aus dem Wegzug resultierende Steuer zinslos, dauerhaft und ohne Sicherheitsleistung zu stunden ist, sofern der Zuzugsstaat ebenfalls ein EU/EWR-Staat ist.
In allen anderen (Drittlands-) Fällen kann die Steuer auf Antrag für einen Zeitraum von fünf Jahren in regelmäßigen Teilbeiträgen gegen Sicherheitsleistungen gestundet werden. Die Gewährung von Sicherheitsleistungen ist bei ungefährdeten Steueransprüchen entbehrlich.
Neue Rechtslage ab 2022:
Die neue Rechtslage sieht eine Besteuerung im Wegzugsfall u.a. dann vor, wenn die natürliche Person, vor dem Wegzug und der damit einhergehenden Aufgabe der unbeschränkten Steuerpflicht, innerhalb der letzten 12 Jahre mindestens sieben Jahre unbeschränkt steuerpflichtig war.
Eine deutliche Verschärfung tritt hinsichtlich der Stundungsregelung für die oben beschriebenen EU-Fälle ein. Die Neuregelung enthält keine EU-Klausel, die eine mildere Regelung für diese Fälle vorsehen würde. Die Grundfreiheiten werden deutlich eingeschränkt. Künftig wird die Steuer nur noch auf Antrag und in der Regel gegen Sicherheitsleistungen gestundet. Die Steuer ist in sieben gleichen Jahresraten zu entrichten, wobei eine vollständige Zahlung der noch nicht entrichteten Steuer zu leisten ist, wenn bestimmte Ereignisse, wie die schädliche Übertragung oder der Verstoß gegen Melde- und Mitwirkungspflichten vorliegt.
Inwieweit die Neuregelung europarechtlich rechtmäßig ist, muss sich zeigen.
Die Neuregelung findet voraussichtlich ab dem Veranlagungszeitraum 2022 Anwendung. Am 31.12.2021 bestehende Stundungen sind weiterhin anzuwenden, sodass ein Wegzug in 2021 unter Umständen ratsam ist, sofern ein Wegzug ohnehin geplant ist.
Selbstverständlich ist eine Einzelfallprüfung unter Berücksichtigung aller Umstände unerlässlich, weshalb wir in jedem Fall empfehlen einen steuerrechtlichen Rat einzuholen.
Comments are closed.